Ausgabe 2/2017

Titel QuartrBack geht an den Start QuartrBack ist ein Forschungsprojekt, gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung, das in einem Bürger-Profi-Technik-Mix die Bewe- gung von Menschen mit Demenz be- jaht, auch und gerade bei zunehmender Desorientierung. Technologien aus den Bereichen Ortung und Mobiltelefonie werden entwickelt und eingesetzt, um Freiheiten zu schaffen, Gesundheit zu fördern, Betroffene und Angehörige zu entlasten. QuartrBack wurde als ein Modul von ALADIEN entwickelt. Während der Schwerpunkt von ALADIEN auf der Häus- lichkeit liegt, zielt QuartrBack auf Akti- vitäten im Quartier, indem es die Per- sonen auf Spaziergängen, Arztbesuchen oder Einkäufen virtuell begleitet. Das Konzept QuartrBack kann als erweiterter Hausnotruf verstanden werden, der es ermöglicht, Hilfe auch außerhalb der eigenen Wohnung über ein zentrales ServiceCenterPflege (SCP) einzufordern. Hierzuwerden sogenannteOrtungsgeräte eingesetzt, mit denen sich die zurückge- legtenWege bzw. der ungefähre Standort der Personennachvollziehenbzw. bestim- men lassen. Das Besondere amProjekt ist, dass das eigene Helfernetzwerk des Men- schen inAnspruch genommenwird.Wer zum Helfernetzwerk gehören soll, erfah- renwir in einemgemeinsamenGespräch mit den Probanden. DieHelfer lassen sich über ihreHandys ebenfalls vomSCP orten und – sofern sie sich als erreichbar ge- meldet haben – über eine Helfer-App auf dem Handy benachrichtigen, um gege- benenfalls Unterstützung zu leisten. Diese kann erforderlich sein, wenn je- mand stürzt oder sich verläuft. Es stehen verschiedene Tracker zur Verfügung. Der Markt bietet neben dem blauen Anhän- ger auch Uhren bzw. sehr einfach zu bedienendeMobiltelefone. Es werden im Projekt nur Geräte eingesetzt, mit denen eine Sprachverbindung aufgebaut werden kann. Unabhängig vom Gerät kann wie beim klassischen Hausnotruf ein Hilferuf per Knopfdruck ausgelöst werden, der dann an das rund um die Uhr besetzte SCP weiter geleitet wird. Darüber hinaus können die Ortungsgeräte auch automatisch Hilferufe auslösen, da sie lernen, welche Wege je- mand normalerweise geht und aufgrund dessen erkennen, wenn jemand einen un- gewöhnlichen Weg einschlägt oder sich länger nicht vom Fleck bewegt. In diesem Fall kannnicht ausgeschlossenwerden, dass die Person sich verlaufen hat bzw. gestürzt ist. Vom SCP kommt in solchen Fällen die Nachfrage, ob alles in Ordnung ist, um Fehlalarme zu erkennen und demzufolge kein Helfer umsonst losgeschickt wird. Dies soll amBeispiel von Otto Ostermann* verdeutlicht werden. Er ist autonom und weitestgehend selbstständig. Nach dem Mittagessen geht er gerne spazieren. Er nimmt immer den gleichen Weg, von der Wohnung zum Friedhof, weiter bis zu den Eichen am Waldrand und zurück. Zum Zahnarzt fährt er mit dem Bus in die nahe gelegene Kleinstadt. Gelegentlich ist er auch schongestürzt, aber bislanghat er sichnicht ernsthaft verletzt. Otto Ostermann erzählt uns im freien Interview seine Geschichte und seinenTagesablauf.Mit dieserMethode des Erzählens erhalten wir Anhaltspunkte dafür, wo er sich aufhalten könnte, wenn er sein Ortungsgerät nicht eingesteckt hat oder in einem Funkloch unterwegs ist. Darüber hinaus erfahren wir, wo mögli- cherweise auchAngebote inder Kommune fehlen, wie beispielsweise ein Fahrdienst in die nahe gelegene Stadt sein, da der öf- fentliche Verkehr nur bis 17:00 Uhr ver- kehrt. Somit verfolgen wir den Ansatz der Quartiersentwicklung, indem fehlenden Angebotennachgegangenwird. ImProjekt werden auch zu einem geringen Grad die ambulanten Pflegedienste mit eingebun- den, indem sie mit darauf achten, dass das Ortungsgerät geladen ist und daran erin- nern, dieses beim Verlassen des Hauses auch mitzunehmen. Nachdem die Tracker und das System von Auszubildenden der Altenpflege getestet wurden, befinden wir uns derzeit im so- genannten Feldtest, in dem beides mit realen älter werdenden Menschen bei unterschiedlich ausgeprägten kognitiven Einschränkungen im Quartier getestet wird. Derzeit nehmen etwa zehn Proban- den und 15 Helfer teil. Zu Testzwecken werden seit Oktober 2017 einmal wö- chentlich in denRegionen Besigheim, und Calw Probealarme ausgelöst. So können die Probanden das Auslösen eines Notfalls verinnerlichen. Nach Abschluss der Test- phase werden die Ergebnisse zeigen, ob und wenn ja, welche Veränderungen QuartrBack bewirkt hat. Nach einer Phase der Nachbesserung könnte das Hil- fe-System schätzungsweise ab 2020 auf dem Markt zur Verfügung stehen. Dr. Susan Smeaton, Wissenschaftliche Leitung Innovationszentrum * Fiktive Person „Aus der Heimstiftung“ 2/2017 15

RkJQdWJsaXNoZXIy MTU2Njg=