Ausgabe 3/2023

12 | Gute Pflege | 3_2023 | JPahreslosung flege im Fokus Aber was ich eigentlich wichtiger finde herauszustellen, ist, dass der Kundenbegriff etwas in der Perspektive der Mitarbeitenden verändert. Da stimmt es absolut, dass Pflege Interaktion ist. Ich glaube jedoch, die Mitarbeitenden finden über den Kundenbegriff einen professionellen, aber deshalb nicht weniger liebevollen und empathischen Zugang zu den Menschen, die sie betreuen. Und das ist genau der Punkt, an dem wir unterschiedlicher Meinung sind. Klie: Die Überlegungen verstehe ich – unternehmensstrategisch. Aber Mitarbeitende begegnen den Menschen im Heim auf sehr unterschiedliche Weise: als Teil einer Gemeinschaft, verzweifelt, fordernd, bisweilen desorientiert. Es kommt auf die Situation an. Und die Rollen der Mitarbeitenden sind je verschiedene. Die Fachkräfte steuern den Pflegeprozess und stellen Vertrauensbeziehungen her: sie begegnen Patienten oder Klientinnen. Das Vertrauen in die professionelle Kompetenz steht im Fokus. Von einem Kunden zu sprechen, würde an dieser Stelle nicht stimmen. Die Hauswirtschaft hingegen ist ganz überwiegend eine Dienstleistung. Da können wir durchaus von einer Kundenbeziehung sprechen. Ein Mensch darf aber nie auf eine Rolle begrenzt werden. Wo er wohnt, ist er nicht nur Kunde. Schneider: Ich denke wir sind uns einig, dass der Mensch verschiedene Rollen einnehmen kann. Wieso soll ich aber die Summe der Rollen, die er einnehmen kann, nicht mit dem Kundenbegriff betiteln? Klie: Im unternehmerischen Kontext ist der Kundenbegriff naheliegend. Es gibt Produkte, die wir unseren Kunden anbieten, ihm verkaufen wollen. Analytisch betrachtet ist der Kundenbegriff im Pflegeheim wenn, dann nur teilweise zutreffend. Es fehlt an konstitutiven Merkmalen: unmittelbarer Austausch – Geld gegen Dienstleistung, Wahlfreiheit – existenzielle Verwiesenheit auf die Hilfe, fehlende Alternativen – Auszug fast unmöglich... Strategisch kann man ihn nutzen, aber bitte nicht generell. In der Sterbebegleitung ein Kunde zu sein, ist für mich eine schreckliche Vorstellung. Und: Sind Gottesdienstbesucher auch Kunden? Pflege ist Interaktionskunst. Das wird, wenn es gut geht, täglich gelebt. In einem guten Pflegeheim kann ich mich als Mensch in meinen Wesensmerkmalen entfalten: Bedeutung erlangen, Freude und Trauer (er)leben, eigene Ziele verfolgen, Sicherheit empfinden, Risiken eingehen – das ist nicht alles abzubilden in einer Kundenlogik. „ Ich glaube (...), die Mitarbeitenden finden über den Kundenbegriff einen professionellen, aber deshalb nicht weniger liebevollen und empathischen Zugang zu den Menschen, die sie betreuen.“ Bernhard Schneider > > > Bernhard Schneider, Hauptgeschäftsführer der Evangelischen Heimstiftung

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