Zwischenruf: Griff in die Mottenkiste

Mit seiner Meldung, die Deckelung der Eigenanteile in der stationären Pflege sei Erbenschutz, greift der Verband der Privaten Krankenversicherungen (PKV) wieder ganz tief in die Mottenkiste.

Von Bernhard Schneider

Offensichtlich fallen dem Verband der Privaten Krankenversicherungen (PKV) keine besseren Argumente ein, als immer wieder das gleiche Märchen zu erzählen. Es müsste sich doch auch in den Vorstandsetagen des PKV schon herumgesprochen haben, dass Sozialversicherungen gerade dafür da sind, unter Beibehaltung des jeweiligen Lebensstandards, gemeinschaftlich soziale Risiken abzufedern. Wer die Pflegebedürftigen trotz Pflegeversicherung zwingt, sein Erspartes aufzubrauchen und zum Sozialamt zu gehen, hat dieses Prinzip nicht verstanden.

Bei einer Krankenhausbehandlung wird doch auch nicht auf das Vermögen zugegriffen. Ist dieser „Vermögensschutz“ der Krankenkasse nicht auch ein Erbenschutz, der einer Pflegeversicherung mit Sockel-Spitze-Tausch im Pflegeheim vorgeworfen wird? Warum wird zur Konsolidierung der Krankenversicherung, nicht auch bei einer Knie-OP oder einer neuen Hüfte zunächst das Vermögen herangezogen? Das wäre natürlich absurd, weil es das Risiko von der Versichertengemeinschaft auf den Versicherten verlagert und damit dem Kern der Sozialversicherung widersprechen würde. Genauso deshalb ist der Sockel-Spitze-Tausch überfällig.

Auch bei der Rente stellt niemand die Frage, ob der Lebensunterhalt nicht auch aus dem Vermögen bestritten werden kann. Hier scheint es unstrittig zu sein, dass dieses Vermögen vererbt werden darf. Den Pflegebedürftigen kann man dies nicht zubilligen – von ihnen wird verlangt, am Ende des Lebens noch aufs Amt zu gehen – wie unwürdig ist das denn?

Die Pflegeversicherung ist dafür da, das Risiko Pflege solidarisch abzusichern. Welchen Sinn macht eine Pflegeversicherung, wenn die Pflegekosten doch in die Armut führen? Mir scheint, als wenn die PKV mit Kritik sehr weit weg ist von der Lebenswirklichkeit alter Menschen. Denn sonst würden sie wissen, was ein Pflegeheim kostet und dass die durchschnittliche Rente selbst dann nicht ausreicht, wenn die Pflegeversicherung alle Pflegekosten übernehmen würde. Da bleibt immer noch ein erklecklicher Anteil, der aus Eigenmitteln, dem vermeintlichen „Erbe“ aufgebracht werden muss.

Der PKV sollte sich und sein Menschenbild etwas reflektieren und vielleicht auch die Chance für die private Versicherungswirtschaft sehen. Eine Deckelung der Eigenanteile ist ja nicht gleichzusetzen mit einer Pflegevollversicherung. Kosten für Unterkunft, Verpflegung und Investitionen sowie ein Eigenanteil an den Pflegekosten sollen laut den Reformvorschlägen für die Pflegeversicherung auch weiterhin von den Betroffenen selbst übernommen werden. Damit kann dieser politisch festzulegende Pflegeanteil auch durch private Vorsorge abgesichert werden. Wer in Lösungen denkt, kann auch auf diese Idee kommen und die Mottenkiste geschlossen lassen.